Helmut Plüster mit seinem Sohn Tammo

Landwirt Plüster aus Breddenberg stellt sich vor

12.04.19
Was tut ein Landwirt heute für seine Schweine und Rinder? Wie sieht er Kritik? Und: Was treibt ihn an?

Copyright & Quelle: Kerstin Ostendorf / Kirchenbote Osnabrück

 

"Ich will nicht, dass meine Tiere leiden“
Vor einigen Wochen haben wir über Tierwohl berichtet. Viele Landwirte haben sich dadurch missverstanden gefühlt. Also haben wir auf einem Hof nachgefragt, bei Helmut Plüster: Was tut ein Landwirt heute für seine Schweine und Rinder? Wie sieht er Kritik? Und: Was treibt ihn an?

 

„Ich will kein schlechtes Gewissen haben müssen. Ich will nicht, dass meine Tiere leiden“, sagt Helmut Plüster. Der 47-Jährige ist Landwirt im emsländischen Breddenberg. Er hält Mastschweine und Bullen und betreibt mit einem anderen Landwirt eine Ferkelaufzucht. Plüster tut viel dafür, dass es seinen Tieren gutgeht. Zum Beispiel achtet er darauf, dass sie möglichst kurze Transportwege haben, und lässt einen Tierarzt die Lastwagen überprüfen. „Oft frage ich mich: Hättest du selber Lust einzusteigen? Wenn nicht, dann schicke ich meine Tiere auch nicht drauf“, sagt er. 
Monokulturen, riesige Ställe, eine hohe Nitratbelastung im Grundwasser, verletzte Tiere auf Lastwagen, Gammelfleisch: Das Bild der Landwirte hat in den vergangenen Jahrzehnten extrem gelitten. Sie fühlen sich von allen Seiten unter Druck gesetzt. Politiker, Verbraucher, Tierschützer und Medien zerren an dem Berufsstand. Doch wie sieht es tatsächlich auf den Höfen aus? Was beschäftigt einen Landwirt?
„Der Bauer wird heute schnell für viele Probleme zum Buhmann gemacht“, sagt Helmut Plüster. Der Verbraucher habe einfach irgendwann den Überblick verloren und verstehe nicht mehr, wie Landwirtschaft heute funktioniere: „Die Leute haben immer noch das Bild aus den 50er Jahren im Kopf und denken an Kühe auf grünen Wiesen.“
Damals hatten auch Plüsters einen Gemischtbetrieb: Es gab Schweine, Bullen und Milchvieh; Getreide, Mais und Kartoffeln wurden angebaut. Die Familie bewirtschaftete den Hof allein. „Natürlich hat eine Kuh es auf der Wiese am besten. Man darf aber auch nicht vergessen, dass das Tier die Hälfte des Jahres, im Winter, knapp angeleint in einem dunklen und niedrigen Stall stand“, sagt Helmut Plüster. Die Stallarbeit von damals möchte er heute nicht mehr machen, gerne würde er aber das Büro tauschen. „Mein Vater hatte einen Eckschrank mit drei Ordnern“, sagt Plüster und lacht. Heute nimmt die Büroarbeit ein Viertel der Arbeitszeit von Helmut Plüster ein.
Früher war der Landwirt in der Bevölkerung besser angesehen. „Er gehörte zur Mitte der Gesellschaft, auch räumlich gesehen: Oft wohnte er mitten im Dorf“, sagt Plüster. „Heute ist er eine Randfigur.“ Er selbst hat gute Erfahrungen gemacht, wenn er Schulklassen oder Kindergartengruppen auf den Hof einlädt. „Die sind immer ganz interessiert, wie wir wirklich arbeiten. Diesen Kontakt zu den Menschen, zu unseren Kunden, brauchen wir wieder.“ Die Menschen seien geprägt durch die Medien und die Berichterstattung über Skandale und die schwarzen Schafe der Branche. „Das müssen wir aufbrechen, indem wir zeigen, wie gute landwirtschaftliche Arbeit aussieht.“
Helmut Plüster ist gerne Landwirt. Ein anderer Beruf ist für ihn nie infrage gekommen. Wenn er von seiner Arbeit spricht, dann ist er kaum zu bremsen. „Mein Beruf ist so abwechslungsreich. Ich arbeite in und mit der Natur, mit lebenden Tieren und Pflanzen. Ich bin Unternehmer und kann meine eigenen Entscheidungen treffen, muss aber auch mit den Konsequenzen leben“, sagt Plüster. 
Acht Jahre lang hat er sich im Katholikenrat des Bistums Osnabrück engagiert. Auch dort hat er immer wieder für die Landwirtschaft geworben, aufgeklärt und Missverständnisse aus dem Weg geräumt. Landwirtschaft und christlicher Glaube – das ist für ihn eine enge und naheliegende Verbindung. „Das sind doch beides elementare Dinge für den Menschen“, sagt er. Deshalb sei es auch wichtig, über die Landwirtschaft zu sprechen. In der Debatte wünscht sich Plüster aber mehr Sachlichkeit: „Wir sollten nicht übereinander schimpfen, sondern miteinander reden und gemeinsam überlegen, wie eine gute und nachhaltige Landwirtschaft aussehen kann.“
Zum Familienunternehmen von Helmut Plüster gehören ein Mitarbeiter, seine Frau und die drei Kinder und seine Eltern, die auch mit fast 80 Jahren noch auf dem Hof helfen. „In stressigen Zeiten, zum Beispiel bei der Ernte, helfen auch Nachbarn oder befreundete Landwirte aus“, sagt Plüster. Eine große Hilfe auf dem Hof ist sein ältester Sohn Tammo. Der 18-Jährige hat im vergangenen Jahr seine Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen. Auch für ihn war der Beruf eine Herzenssache. „Ich wollte das unbedingt machen. Ich habe ein Praktikum als Schlosser ausprobiert, aber das war nichts für mich“, sagt er. In ein paar Jahren möchte er den Hof von seinem Vater übernehmen – so wie es in der Familie seit vier Generationen üblich ist. „Das ist toll zu wissen: Man führt etwas weiter, wofür auch schon mein Opa und Uropa gearbeitet haben“, sagt er. Aber auch das ist keine Selbstverständlichkeit mehr: Viele Landwirte haben keinen Nachfolger, weil die Kinder sich die oft undankbare und harte Arbeit nicht antun möchten.
Auf dem Hof der Familie Plüster stehen zwei große Ställe für die Mastschweine. 1000 Tiere leben dort. Die Ställe sind sauber und gut temperiert, Wasser und Futter sind ausreichend vorhanden und mit 0,85 statt der gesetzlich vorgeschriebenen 0,75 Quadratmeter haben seine Tiere mehr Platz. „Wir haben unsere Haltungsbedingungen stetig überdacht“, sagt Plüster. „Wenn ein Schwein sich nicht wohlfühlt, dann bringt es weniger Leistung. Es wächst langsamer und ist kränklich. Als Landwirt habe ich gar kein Interesse daran, dass es meinen Tieren schlecht geht.“
Plüster unterstützt die Initiative Tierwohl des Lebensmitteleinzelhandels. Supermärkte wie Aldi, Edeka und Kaufland geben pro verkauftem Kilo Schweine- und Geflügelfleisch 6,25 Cent an die Initiative. Mit dem Geld werden die teilnehmenden Landwirte unterstützt, mehr in das Wohl ihrer Tiere zu investieren. Helmut Plüster ärgert sich aber auch oft: „Diese Initiativen suggerieren, dass es den Tieren grundsätzlich schlecht geht.“ Wenn in den Kriterien gefordert würde, dass die Tiere frisches Wasser, frische Luft, ausreichend Platz und Licht brauchen, erzeugten sie beim Verbraucher ein falsches Bild. „Das ist doch alles selbstverständlich. In den letzten 20 Jahren habe ich keinen Stall ohne Tageslicht gesehen“, sagt Plüster. „Ich bin täglich sechs Stunden bei den Tieren. Da möchte ich auch als Arbeiter gerne Licht haben und mich bewegen können.“
Bei der Ferkelaufzucht gelingt es ihm oft, dass die  an Betriebe in Niedersachsen verkauft werden – aber nicht immer. „Wenn die Preise für Schweinefleisch mal wieder im Keller sind, dann kann es manchmal Lösungen geben, die so nicht gewollt sind“, sagt er. Wenn die Ferkel in seinem Stall immer größer werden, ist er gezwungen, sie zu verkaufen. Ist der Markt für Schweinefleisch aber schlecht, kann es vorkommen, dass Mastbetriebe ihre Ställe lieber leer stehen lassen, als neue Ferkel einzustallen. Dann müssen Plüsters Tiere auch mal Strecken bis nach Mittel- und Süddeutschland machen. Seine eigenen Mastschweine aber transportiert er selbst an Schlachtereien im Umkreis von 30 Kilometern.
Eine der schwierigsten Aufgaben ist für ihn, den Markt einzuschätzen. „Die Schlachtereien gehören zu vier oder fünf Großunternehmen in Europa, die 90 Prozent des Marktes kontrollieren. Die schreiben die Preise fest“, sagt Plüster. Wenn der US-Präsident mit neuen Zöllen droht, es Ernteausfälle in Deutschland oder anderswo gibt und die Futterpreise steigen, wirkt sich das direkt auf den Preis aus. „Aktuell ist die Angst vor der afrikanischen Schweinepest besonders groß“, sagt Plüster. Ein krankes Wildschwein in Deutschland würde ausreichen, um hier den kompletten Fleischmarkt für Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre zu schließen. „Ich kann mich dagegen zum Teil versichern“, sagt Plüster. „Aber es bleibt die Frage, wie lange ich arbeiten kann, wenn ich nicht einmal die Produktionskosten bezahlt bekomme.“ Er beschwert sich aber nicht: „Solche Fragen beschäftigen jeden Unternehmer. Das ist das Risiko, das wir tragen müssen.“
Um sich unabhängiger von den Schwankungen des Weltmarktes zu machen, versucht Plüster in die Direktvermarktung einzusteigen. Er beliefert eine Landschlachterei in der Region, die sich auf gute Tierhaltung spezialisiert hat und offenlegt, mit welchen Landwirten sie zusammenarbeitet. Die Kunden dort sind bereit, mehr Geld für ihr Fleisch zu zahlen. Um der Nachfrage gerecht zu werden, möchte Plüster einen Auslauf für die Tiere bauen. Der Haken: Er bekommt keine Baugenehmigung. Im Gegenteil: Aufgrund der Nähe zu anderen Häusern würde eher die Genehmigung für den gesamten Stall infrage gestellt, sagt er. „So was ärgert mich. Es gibt die Kunden, die das honorieren wollen, was ich dem Tier mehr biete. Es gibt den politischen Willen, auf Tierwohl zu achten, und ich möchte danach produzieren und mein Fleisch verkaufen. Aber mir sind die Hände gebunden.“ 
Helmut Plüster will keine staatlichen Finanzspritzen und Subventionen, sondern sich mit seinem Produkt auf dem Markt behaupten. Die Politik soll dafür die Rahmenbedingungen schaffen. „Die sollen nicht im Hauruck-Verfahren Projekte durchsetzen, sondern auch über die Konsequenzen nachdenken“, sagt er. 
Der Trend zu Biogas-Anlagen sei so ein Beispiel. „Es war ja eine gute Idee, aus Gülle und Kompost Energie zu gewinnen. Aber ich bin skeptisch, ob es richtig ist, nachwachsende Rohstoffe, wie etwa Mais, dafür zu nutzen. Die Politik hat nicht weit genug gedacht. Es wurde ein wirtschaftlicher Anreiz gesetzt, der einen Strukturwandel auf dem Land auslöste.“
Plüster hat aber auch Hoffnung: Beim Verbraucher erkennt er langsam einen Bewusstseinswandel. Gerade die jüngere Generation lege Wert auf gute Qualität und Nachhaltigkeit und wisse, dass es das nicht zu Billigpreisen geben könne. 
„Der Kunde ist doch mündig: Er soll in seinem Markt nachfragen, woher das Fleisch geliefert wird. Er soll die Höfe besuchen, die Kriterien für Tierwohl erfragen“, sagt Helmut Plüster. Der Verbraucher hat es in der Hand – das sei nicht nur eine Floskel, sondern eine ernstgemeinte Aufforderung.